Bad Segeberg kultourt

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Eine Gemeinschaftsaktion der Kulturschaffenden und Veranstalter Bad Segebergs
Koordiniert von Kulturkontor und SZ Segeberger Zeitung.

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Di 1. Mai 17.30 und 20 Uhr
LINSE Filmkunst:
Maudie

Biopic
Regie: Aisling Walsh
mit: Ethan Hawke (Everett Lewis) · Sally Hawkins (Maud Lewis) · Kari Matchett (Sandra) · Gabrielle Rose (Tante Ida) · Zachary Bennett (Charles Dowley)
Kanada/Irland 2016, ab 12, 116 min.

CinePlanet5, Oldesloer Straße 34

Biografischer Film über die kanadische Folk-Art-Künstlerin Maud Lewis (1903-1970), die sich erst mit Mitte 30 aus der Bevormundung ihrer Tante löst, indem sie einen herrischen Mann aus einfachen Verhältnissen heiratet. Dessen Rolle prägt den künstlerischen Werdegang der Malerin, die erst in der materiellen Beschränkung ihres Daseins ein künstlerisches Fenster aufstößt. Die Inszenierung hat der idealisierenden Sicht der Protagonistin kaum etwas entgegenzusetzen, huldigt vielmehr einer biedermeierlichen Bescheidenheit. Vorrangig überzeugt die Hauptdarstellerin Sally Hawkins als schmächtige Frau, die vor der rauen Wirklichkeit Zuflucht in ihrer Malerei und einer optimistischen Genügsamkeit sucht.

Langkritik:

Maud Dowley befindet sich schon in ihrem dritten Lebensjahrzehnt, als sie sich endlich von der Bevormundung ihrer Tante Ida emanzipiert. Obwohl sie durch eine rheumatische Arthritis gehandicapt ist, nimmt sie eine Stelle als Hausmädchen an. Doch ihr herrischer Arbeitgeber und künftiger Ehemann Everett Lewis behandelt seine Angestellte roh, kränkt und beleidigt sie. Trotzdem harrt Maud bei ihm aus. Auch weil sie bei ihm einen Ort findet, an dem sie ihr Talent als Malerin ausleben kann.

Die Regisseurin Aisling Walsh setzt in ihrem Film über die kanadische „Folk-Art-Künstlerin“ Maud Lewis (1903-1970) spät ein und lässt damit die Vorgeschichte ihres künstlerischen Werdens, ihre Kindheit und ihr Erwachsenwerden, unerzählt. Für die Inszenierung ist es auch nicht von Interesse, dass Maud mit dem Malen durch ihre Mutter in Berührung kam, die sie darin unterrichtete. Nach deren Tod war die für „nutzlos“ erachtete Maud von ihrem Bruder zur Tante abgeschoben worden. Der Film konzentriert sich vielmehr auf Mauds Begegnung mit ihrem späteren Ehemann Everett Lewis, die zur treibenden Kraft im künstlerischen Werdegang der Malerin aufgewertet wird.

Die Protagonistin findet ihren Weg durch das selbstgewählte Los. Auch wenn das mit einem sozialen Abstieg und erniedrigenden Strapazen verbunden ist. Doch erlesen gemusterte Tapeten und gediegenes Mobiliar reichen zum Glück nicht aus. Deshalb tauscht Maud das Haus der Tante lieber mit den beengten Räumlichkeiten von Everett Lewis. Zwar steht der zarten Frau in dessen Häuschen am Straßenrand nur wenig Platz zur Verfügung. Ihr Arbeitgeber füllt es bildlich massiv aus; schon durch seine körperliche Präsenz wirkt er äußerst bedrohlich. Das ändert sich allerdings bald. Nachdem sie von ihm ins Haus verbannt wird, weil sich das nach Lewis’ Meinung für eine Frau schickt, kompensiert sie ihre Demütigung, indem sie das Haus mit „naiven“ Malereien auszuschmücken beginnt und in ein hübsches Heim verwandelt.

Sie tut, was ihr „Boss“ und künftiger Ehemann befiehlt, doch im Geiste ist sie frei und gestaltet ihre eigene Welt. Dafür benötige sie nur ein Fenster, wie sie ihr ästhetisches Lebenskonzept einmal beschreibt. So ist die Welt zum Greifen nah, und Mauds Sinne öffnen sich. Erinnerung und Fantasie beflügeln ihre Kunst. Damit steht sie beim Malen über den Dingen, wie der Film anschaulich macht. Das Leben außerhalb ihres Horizontes lockt sie wenig. So zeichnet sie auch die Kamera zumeist als verlorene Figur, wenn sie sich durch die Weiten der Landschaft bewegt.

Maud sieht und malt sich froh, was Sally Hawkins als Darstellerin trefflich wiedergibt. So lenkt sie sich davon ab, dass sie eigentlich gefangen ist. Dramaturgie und Gestaltung des Films unterstützen diese beschönigende Sicht. Die Kamera ästhetisiert das ärmliche Leben des Ehepaars durch die geschmackvoll-schlichte Ausstattung und Inszenierung des Hauses, eine expressive Lichtsetzung, die gefällig-leichte, folk-artige Musik; dazwischen ist immer wieder eine malerische Landschaft montiert. Die brutale Härte von Mauds Zusammenleben mit Lewis wird idealisiert; man könnte Mauds Seelenadel, die sich als bessere Hälfte andient, auch als masochistisch bezeichnen. Der Film versucht aber auch, beiden Seiten gerecht zu werden. Er zeigt, dass auch die Künstlerin nicht bereit ist, die Ansprüche ihres Mannes, der sich durch ihren Erfolg zurückgesetzt fühlt, ernst zu nehmen, zugespitzt in der Krise, die zu einer vorübergehenden Trennung führt. In dem Moment will jeder gehört werden; keiner ist bereit, sich in den anderen einzufühlen, weil jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Dass Maud durchaus auch Wünsche nach einem besseren, komfortableren Leben hat, ahnt man, wenn ihr bei der ersten Begegnung mit der Großstädterin San-dra deren schicke, bequem zu tragenden Schuhe ins Auge stechen. Aber das ist schnell wieder vergessen.

Geld macht nicht glücklich; durch Schönheit und Fantasie lassen sich die Unbilden der Existenz überwinden, könnte das Motto des Filmes sein. Die Inszenierung glorifiziert die bescheidene Maud, die ihre Bilder für fünf Dollar das Stück verkauft. Das wahrhaftige Gegenstück zum modernen Kunstmarkt, wo nur der Künstler ein König ist, für dessen Werke horrende Summen ausgegeben werden.

Heidi Strobel, FILMDIENST

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