Bad Segeberg kultourt

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Eine Gemeinschaftsaktion der Kulturschaffenden und Veranstalter Bad Segebergs
Koordiniert von Kulturkontor und SZ Segeberger Zeitung.

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Di 16. Mai 2017
LINSE Filmkunst:
Egon Schiele - Tod und Mädchen

Biopic Künstlerporträt
Regie: Dieter Berner
mit: Noah Saavedra (Egon Schiele), Maresi Riegner (Gerti Schiele), Valerie Pachner (Wally Neuzil), Larissa Aimée Breidbach (Moa Mandu), Marie Jung (Edith Harms), Elisabeth Umlauft (Adele Harms), Thomas Schubert (Anton Peschka), Daniel Sträßer (Dom Olsen), Cornelius Obonya (Gustav Klimt), André Jung (Richter St. Pölten), Nina Proll (Varietédirektorin), Luc Feit (Arthur Roessler)
Österreich/Luxemburg, 2016, ab 12, 109 min.

CinePlanet5, Oldesloer Straße 34

Biografischer Spielfilm über den expressionistischen Maler Egon Schiele (1890-1918), der weitgehend das geläufige Bild des Malers bedient und dessen Leben und Werk in Rückblenden recht einseitig über die Beziehungen zu seinen Modellen entfaltet. Andere Aspekte der Zeit oder von Schieles künstlerischem Schaffen bleiben indes ausgespart. Während die Dramaturgie anfangs einem fahrigen Bewegungsrausch erliegt, findet sie mit dem Eintritt des Modells Wally Neuzil in Schieles Leben zu einer konzentrierteren Form.

Langkritik:

Das auffälligste Utensil in Egon Schieles Atelier ist ein großer Spiegel im Hochformat. Den hat er seiner Mutter entwendet. Jahre später erhält sie ihn wieder, nachdem ihr Sohn im Alter von 28 Jahren an der Spanischen Grippe verstorben ist. Vor ihm lässt der junge Künstler seine attraktiven Modelle posieren, und sie rücken davor ihre Accessoires zurecht. Auch er selbst betrachtet sich auf der glatten Fläche. Keinesfalls nur aus Eitelkeit, sondern mit kühlem Blick. Er sucht die seine Malleidenschaft entzündende Pose. Die erregt ihn viel mehr, als es der intime Akt mit seinem verführerischen Modell vermag. Schnell hält er diesen Moment mit prägnanten Strichen auf einem Blatt Papier fest.

Der biografische Film des österreichische Theater- und Filmregisseur Dieter Berner über den expressionistischen Maler Egon Schiele fußt auf einem Roman von Hilde Berger, der das Schicksal des Künstlers von dessen Ende her schildert. 1918, kurz vor Waffenstillstand des Ersten Weltkrieges, liegt Schiele mit seiner Ehefrau todkrank im kalten Atelier, wo ihn seine Schwester Gerti findet. Sie kümmert sich fortan um ihn und setzt alles daran, um das einzig wirksame Medikament auf dem Schwarzmarkt zu erstehen. Aus Gertis Perspektive erfährt man in Rückblenden von Schieles künstlerischem Durchbruch und seinem Leben bis in die Gegenwart des Jahres 1918 hinein.

Um die Erinnerungen der Schwester als solche zu markieren, nutzt die Inszenierung von Dieter Berner den Spiegel als fantastisches Motiv: Er wird zur Schleuse, der in die Vergangenheit führt. Allerdings kann die Schwester vieles nicht miterlebt haben; die Erzählführung über Gertis selbstverlorenen Blick in den Spiegel ist deshalb nicht durchgehend stimmig.

In mehreren Rückblenden wird Schieles produktivste Zeit nachgezeichnet. Der Maler lebte dabei ganz von den Beziehungen zu seinen Modellen. Den Anfang macht seine gerade 16-jährige Schwester, mit der er in eine inzestuöse Beziehung verstrickt ist. Sie wird von der Prater-Kleindarstellerin Moa abgelöst. Moa ist selbstbewusst genug, ihm zu spiegeln, dass er ohne seine Modelle nichts aufs Papier brächte. Deshalb darf ihr Signet auf Schieles Arbeiten miterscheinen, etwa auf einem Aquarell aus dem Jahr 1911, wo sie mit nacktem Oberkörper und einem bunten, leuchtenden Rock verewigt ist.

Sein wichtigstes Modell ist jedoch Wally Neuzil. Gustav Klimt macht Schiele mit ihr bekannt. Mit Wally lebt der Freigeist fortan in wilder Ehe zusammen, zunächst in einem idyllischen Haus am Waldrand, später in Wien. Sie steht ihm auch als tüchtige Partnerin zur Seite, treibt nicht nur Geld für seine Bilder ein, sondern sorgt mit ihrer Aussage auch dafür, dass Schiele relativ ungeschoren aus einem Prozess wegen eines sexuellen Vergehens an einer Minderjährigen davonkommt. Trotzdem trennt Schiele sich später von ihr. Er heiratet Edith Harms, die über die finanziellen Mittel verfügt, um ihm ein sorgenfreies Künstlerleben gewährleisten zu können.

Der erste Teil des Films, der um die Beziehung zu Gerti kreist und die Zeit mit seinen Studienfreunden, wirkt zerfahren. Die Inszenierung verfällt in einem rhythmisch-adoleszenten Freiheits- und Bewegungsrausch, ohne sich mit Schieles Suche nach einer neuen Formensprache zu beschäftigen. Erst mit dem Eintritt von Wally in Schieles Leben gewinnt der Film an Konzentration. Allerdings darf man keine neuen Einsichten über den Künstler erwarten. Der Film zeichnet die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als eine von Freuds Entdeckungen bestimmter Zeit nach, als eine Ära weiblicher Hysterie und einer obsessiven Beschäftigung mit Sexualität, durchdrungen von Lebensgier und Todestrieb, von eitler, aber auch genauer Selbsterforschung und Selbstbeobachtung.

Damit will Berner sicherlich auch einen Bogen zur selbstverliebten Gegenwart schlagen, zur Bildersucht und einer technizistischen Sicht auf die Dinge. Im Zeitalter des Smartphones gibt es stets Momente, in denen Menschen glauben, ihr Konterfei in möglichst freizügigen Posen ablichten zu müssen, um wie Schiele auf eine spiegelnde Oberfläche zu blicken. Diese Engführung lässt andere Einflüsse auf Schieles Kunst außer Acht. Etwa seine Landschafts-Bilder, Männerporträts oder Modeentwürfe. Auch bleibt die Doppelmoral der Wiener Gesellschaft und überhaupt Wien als Metropole von seinem Atelier wie ausgesperrt. Wie kommt Schiele eigentlich zu seinem eigenwilligen Stil? Wie formten ihn andere Künstler, technische Neuerungen oder der Krieg? Nichts davon wird hier plastisch entfaltet. Stattdessen bedient der Film nur das bekannte, im Trend liegende, mit Erotik lockende Bild des Malers.

Heidi Strobel, FILMDIENST 2016/23

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